KI am Steuer – Ungeheuer? Zum Stand des autonomen Fahrens
Autonomes Fahren ist in aller Munde. Dabei wissen viele wahrscheinlich nicht, was dieser Begriff genau bedeutet. Wenn wir heute von den zahlreichen Tests hören, die zu diesem Thema weltweit stattfinden, handelt es sich nämlich meistens um Vorstufen zum autonomen Fahren, um „hochautomatisiertes“ oder um „vollautomatisiertes“ Fahren. Bei diesen beiden Vorgängern ist der Fahrer entweder noch in geringem Maße am Fahrgeschehen beteiligt oder muss zumindest im Notfall noch in das Fahrgeschehen eingreifen. Beim autonomen Fahren hingegen gibt es keinen Fahrer mehr, sondern nur noch Fahrgäste, die sich während der Fahrt überhaupt nicht darum kümmern müssen, was da eigentlich in und um ihr Auto herum passiert; die künstliche Intelligenz (KI) übernimmt in diesem Fall komplett das Steuern eines Fahrzeugs.
Assistiertes Fahren haben die meisten Autos heute schon. Das reicht von der Einpark-Hilfe und automatischem Einschalten des Lichts bei Dunkelheit bis hin zu Abstandhaltern und Bremssystemen, die bei plötzlich auftretenden Hindernissen im Fahrweg aktiviert werden. Doch von hier bis zum komplett autonomen Fahren ist es noch ein weiter Weg, denn der Straßenverkehr gilt als ein hochgradig komplexes System, insbesondere der innerstädtische Verkehr. Autobahnen und abgegrenzte Umgebungen mit speziellen Zufahrtsberechtigungen hingegen sind weit besser planbar, weshalb solche Gelände auch als relativ einfache Testareale gelten.
USA sind das Eldorado für das autonome Fahren
Deutschland als DAS Land der Automobilentwicklung hat im Wettlauf um zuverlässige, massentaugliche autonome Fahrzeuge durchaus einen Standortnachteil. Die deutsche Auto-Ingenieurskunst dreht sich seit Jahrzehnten um die Entwicklung von besonders leistungsstarken Verbrennungsmotoren – eine Antriebsform, die für das autonome Fahren ungeeignet ist. Die bestehende Infrastruktur und auch das Expertenwissen in deutschen Autofirmen ist noch weitgehend auf diese Antriebsform ausgelegt. Eine Umstrukturierung hin zu elektrischen, selbstfahrenden Automobilen fällt in einem solchen Umfeld schwerer als in einem Unternehmen, das sich von Anfang an nur von den Anforderungen an autonomes Fahren leiten lässt, wie das z.B. bei Waymo, der Google-Tochter, der Fall ist.
In Deutschland gibt es viele Patente und auch viele Projekte rund um die fahrer-unabhängige Fortbewegung. So fährt u.a. auf dem Gelände der Berliner Charité ein Bus weitgehend unassistiert, die Stadt Karlsruhe hat eine Teststrecke für Versuche mit autonomisierten Fahrzeugen eröffnet, die Technische Hochschule Aachen baut an einer solchen und in Regensburg ist ein Bus damit beschäftigt, Daten aus einem bestimmten innerstädtischen Verkehrsumfeld zu sammeln, mit dem Ziel, dort autonomes Fahren zu ermöglichen. Solche Projekte, so ambitioniert sie sind, kommen im Vergleich zu dem, was in den USA passiert, allerdings noch relativ bescheiden daher. In Amerika, vor allem in den Staaten Kalifornien und Arizona, dürfen hoch- bis vollautomatisierte Autos z.T. bereits in den Alltagsverkehr.
Autonomes Fahren ist weit mehr als eine technische Herausforderung
Der Weg zum autonomen Fahren weist viele Hürden auf, neben technischen auch juristische. Das hochgradig assistierte Fahren wird auf einer ganzen Flut an Daten basieren. Wie können hier Personendaten geschützt werden? Wie sieht die Haftung bei Unfällen mit autonom gesteurten Wagen aus? Welche Sicherheitsstandards müssen Automobilhersteller erfüllen, nicht nur in Hinsicht auf die generelle Verkehrssicherheit, sondern auch in Bezug auf Cyberattacken? Im experimentierfreudigeren Amerika tut man sich mit der Reaktion auf solche Bedenken leichter als hierzulande.
Trotzdem heizt jeder Unfall eines durch künstliche Intelligenz gesteuerten Wagens, wie sie sich nun in den USA mehrfach zugetragen haben, die Diskussionen um die Machbarkeit des autonmen Fahrens an. Viele haben Angst davor, gerade im Verkehr die Kontrolle an die Technik abzugeben. Dabei betonen alle, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, dass es mit vollautomatisierten oder autonomen Autos zu weniger Unfällen, insbesondere weniger tödlichen, kommen wird. Schließlich ereignen sich mehr als 90% der heutigen Unfälle aufgrund menschlichen Versagens. Künstliche Intelligenz kann diese Fehler weitestgehend eliminieren. Das muss auch das Ziel der Entwicklung sein, denn Bequemlichkeit allein wird die Mehrheit der Autokäufer nicht von autonom fahrenden Autos überzeugen.
Eine weitere digitale Revolution
Sicher ist, dass sich die Entwicklung mittelfristig durchsetzen wird und dass sie weit umwälzendere Veränderungen mit sich bringen wird, als dass Menschen Autos nicht mehr selbst steuern werden. Viele Berufe werden überflüssig werden – Bus- und Taxifahrer werden ebenso wenig gebraucht werden wie LKW-Fahrer und Zulieferer. Eigene Autos werden wahrscheinlich nur noch zum Vergnügen gebraucht werden, denn wenn der gesamte Personenverkehr erst einmal autonom und vernetzt ablaufen wird, lohnt sich die Anschaffung eines eigenen PKW gar nicht mehr, weil autonom fahrende Taxis oder Busse viel effizienter eingesetzt werden können. Daher werden auch Parkplätze kaum mehr benötigt werden, weil die vorhandenen Automobile wohl im Dauereinsatz sein werden. Und Städte werden anders gestaltet werden, um Strecken zu optimieren.
Die Zukunft des Personen- und Güterverkehrs ist dabei, revolutioniert zu werden. Vieles, was im Laufe dieser Revolution passieren wird, scheint derzeit noch beunruhigend zu sein. Und das nicht nur wegen der Angst um die eigene physische Sicherheit. Die scheint bei vielem, worum es beim autonomen Fahren geht, weitgehend unberechtigt zu sein. Vielmehr ist das autonome Fahren ein weiterer wichtiger Bestandteil der Revolution 4.0, in deren Zuge unsere Welt digital vernetzt sein wird, mit allen Vor- aber auch Nachteilen, die sich daraus ergeben und die derzeit noch schwer abschätzbar erscheinen.
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