Fifty Shades of Grey: Ist das wirklich BDSM?
Der Hype um Anastasia Steele und Christian Grey geht in die zweite Runde. Und die Wendung, die sowohl das Buch als auch der Film nehmen, lässt die Kritik aus der wahren BDSM-Szene nur lauter werden. Denn die hat schon gleich beim Erscheinen des ersten Romans darauf hingewiesen, dass das, was da beschrieben wird, nur Klischees bedient und dem Kern dessen, worum es vielen bei BDSM geht, nicht trifft. Daher hier ein kleiner Fakten-Check: Was ist eigentlich BDSM und wie viel davon steckt in den „Fifty Shades…“-Büchern und -Filmen?
BDSM steht für die vielen Spielarten, die es innerhalb dieser Szene gibt. Bondage und Discipline (Fesseln und Disziplin), Dominance und Submission (Dominanz und Unterwerfung) sowie Sadism und Masochism (Sadismus und Masochismus) sind die Begriffe, die in dem Kürzel stecken. Im Gegensatz zur herkömmlichen, meist romantischen Vorstellung von Sex spielen bei BDSM Machtphantasien, Bestrafung, Unterwürfigkeit und Schmerzen eine bzw. die entscheidende Rolle. Dabei versteht sich BDSM nicht ausschließlich als Sexpraktik, sondern als eine Vorliebe, die sich durch viele Lebensbereiche ziehen kann. Wichtig ist den BDSMlern dabei jedoch, dass diese Haltung sich in der Regel in Form von „Spielen“ ausdrückt, die zwar Alltagssituationen beeinflussen können, aber doch abgegrenzt vom „normalen Leben“ stattfinden. Einigen Paaren reicht dies allerdings nicht. Sie führen dann eine so genannte 24/7 BDSM-Beziehung, ein Partnerschaftskonzept, in dem der devote/masochistische Partner sich vollständig und ohne Einschränkung dem dominanten/sadistischen Part, ohne physische, psychische, zeitliche und/oder räumliche Einschränkungen unterwirft.
Besagte „Spiele“, in denen bestimmte Neigungen ausgelebt werden, folgen festgelegten Regeln. Das muss auch so sein, denn viele BDSMler bewegen sich in Grenzbereichen, sowohl körperlich als auch psychisch. Da werden Hiebe ausgeteilt, es wird gestreckt und gezogen, Hitze und Kälte werden eingesetzt, also bewusst Schmerzen erzeugt. Das hält nicht jeder im gleichen Maße aus und auch nicht jeder, der Schmerzen „mag“, mag jede Form von Schmerz. Genauso sieht es mit den Machtspielen aus, denn auch wer auf Erniedrigung steht, hat seine Grenzen, die nicht mehr als Spiel betrachtet werden können, sondern die Person in ihrem Wesen treffen. Deshalb ist es im BDSM wichtig, dass die „Spiele“ besprochen werden, Regeln gesetzt werden und sogenannte Stop-Wörter vereinbart werden, die man nutzen kann, wenn es einem zuviel wird. Weil wir gerade bei den Regeln sind… Ein Wort noch zu dem Vertragswerk, dass Grey im ersten Teil aufsetzt und das dort eine zentrale Rolle in der Handlung spielt: Das ist nice to have, aber das kann man auch getrost vergessen.
Während so einiges von dem, was soeben umschrieben wurde, auch in „Fifty Shades of Grey“ auftaucht, so gibt es doch Aspekte, die viele für untypisch für BDSM halten und darüber hinaus auch für geradezu ungesund oder gar krankhaft. Da wäre zunächst einmal das tatsächliche Machtgefälle zwischen Anastasia und Christian, das sich in mehrerer Hinsicht manifestiert. Hier der reiche, erfahrene Mann in seinen besten Jahren, dort die blutjunge, arme und in amourösen Dingen völlig jungfräuliche Studentin. Diese Konstellation schafft weit über sexuelle Vorlieben hinaus eine Abhängigkeit, die sich im wirklichen Leben fatal auswirken könnte. Doch was noch schwerer wiegt, sind die Andeutungen, dass Christians Neigungen tatsächlich durch eine psychische Störung begründet sein könnten. Seine Kindheit und Jugend waren von Verlust und Mißbrauch gekennzeichnet, Erfahrungen, die er nun in seinen (Sex-)Beziehungen zu kompensieren scheint. Statistiken besagen allerdings, dass der Anteil an Menschen mit psychischen Auffälligkeiten unter BDSMlern nicht höher ist als unter Menschen, denen diese Sex- und Lebensform nichts gibt. Die BDSM-Szene sieht sich daher durch „Fifty Shades of Grey“ in ein falsches Licht gestellt.
Und so gibt auch der im zweiten Teil von Buch und Film bereits angedeutete Verlauf der Geschichte einen Hinweis darauf, dass es sich bei „Fifty Shades…“ wohl eher um eine klassische Liebes-Schmonzette handelt, denn um die Darstellung einer BDSM-Beziehung zwischen mündigen Partnern. Anastasia lebt mit Christian nicht primär ihre sexuellen Gelüste aus, sondern sie ist auf der Suche nach der großen Liebe, die sich auch sexuell den gängigen Erwartungen anpassen soll. Sie will eben keine Spielchen mehr, sie will die romantische Beziehung mit dem dazu anscheinend passenden Kuschelsex.
Wer also glaubt mit „Fifty Shades of Grey“ ein Einführungswerk in die BDSM-Szene gelesen oder gesehen zu haben, sei hier eines Besseren belehrt. Zwar sind einige Szenen und Handlungen, vor allem die im Spielzimmer von Christian, welches sicher jedem SM-Liebhaber das Herz höher schlagen lässt, durchaus realitätsnahe, die ganze Fülle des BDSM wird hier allerdings nicht annähernd aufgezeigt. Aber wahrscheinlich zieht die Geschichte um Anastasia und Christian gerade daraus ihre Popularität, nämlich dass es sich hier nicht vornehmlich um BDSM dreht – der je nach Statistik, die man heranzieht, lediglich ein bis drei Prozent der Bevölkerung anspricht – sondern um eine kitschige, durch vermeintlich anrüchigen Sex aufgepeppte Story, in der alles auf das Happy End mit glücklich liebenden Menschen hinausläuft.
Toller Beitrag dem ich voll und ganz zustimmen kann. BDSM light für Einsteiger, zumindest was den ersten Teil angeht. Den zweiten habe ich leider noch nicht gesehen, werde aber sicher nachdem ich ihn gesehen habe mich hier nochmal äußern.