Corona und das Miteinander
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat es gestern auf den Punkt gebracht: „Wir müssen den Ausbruch verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem weiter funktionieren kann. Dazu brauchen wir die gesamte Gesellschaft. Wir brauchen jeden einzelnen Bürger und jede einzelne Bürgerin.“ Corona geht uns alle an, ob im stark betroffenen Nordrhein-Westfalen oder in den noch wenig betroffenen Bundesländern im Osten. Die zuletzt viel zitierte „Hust- und Niesetikette“ einzuhalten und sich häufig die Hände zu waschen, gehört genauso dazu wie der Umgang mit einer möglichen Infektion (nicht unangemeldet in die Arztpraxis gehen!) oder der freiwillig eingehaltenen häuslichen Quarantäne, wenn man in einem Risikogebiet war oder einen Kontakt mit Infizierten für möglich hält.
Corona ist Neuland und die meisten von uns haben eine solche Situation auch noch nicht annäherungsweise kennengelernt. Eine Situation, in der man voraussichtlich auf sonst selbstverständliche Freiheiten verzichten muss. Dabei nehmen sich die tatsächlich schon existierenden und wahrscheinlich noch zu erwartenden Einschränkungen für den Einzelnen noch verhälsnismäßig harmlos aus: Homeoffice statt Büro, voraussichtlich Verzicht auf Großveranstaltungen und Reisen in Risikogebiete. Klar, für die Wirtschaft sind das alles andere als Kleinigkeiten und auch das wird sich früher oder später auf einzelne auswirken; aber es geht darum, auch für die kommenden Wochen und Monate noch Schlimmeres zu vermeiden.
Immer wieder heißt es auch, dass bei aller Vorsicht keine Panik angebracht ist. Das Fatale ist nur, dass allein durch diese Aussage eigentlich schon das Gegenteil erzeugt wird. Zudem kommt, dass wir es bei Corona auch mit viel Unbekanntem zu tun haben. Noch kann die Wissenschaft keine verlässlichen Aussagen darüber treffen, wie hoch die Letalität tatsächlich ist, welche Übertragungswege es alle gibt, ob das Virus mit steigenden Temperaturen eingedämmt wird und wann mit einem Impfstoff zu rechnen ist. Diese Unsicherheit löst dann doch Verhaltensweisen aus, denen tatsächlich eine gewisse Panik zugrunde liegt, wie z.B. die Hamsterkäufe.
Und hier (aber natürlich nicht nur im Fall von Hamsterkäufen) zeigt sich auch, dass in Zeiten wie den jetzigen das Miteinander dann doch leidet. Statt wie emfohlen sich einen Vorrat an Lebens- und Verbrauchsmitteln für 14 Tage anzulegen (den man übrigens prinzipiell immer haben sollte), wird zum Teil extrem gehamstert. Mit der Folge, dass die flächendeckende Versorgung, wie wir sie bisher kannten, nicht mehr gegeben ist. Und das Hamstern treibt eine Spirale auch bei denen an, die eigentlich nur im bisherigen Maß ihre Einkäufe erledigen wollen; denn wenn plötzlich doch wieder größere Mengen an Klopapier, Taschentüchern, Dosentomaten oder was auch immer an Haltbarem in den letzten Tagen knapp wurde, verfügbar sind, dann kaufen auch sie mehr als sonst – denn man will ja am Ende nicht der einzig Blöde sein, der hungernd und ohne Klopapier zuhause sitzt.
So sinnvoll dieses Hamstern dem Einzelnen erscheinen mag, so schädlich ist es für die, die im Notfall tatsächlich am ehesten von Corona selbst oder von Quarantäne-Maßnahmen betroffen wären, nämlich die Alten, Kranken, aber auch die Menschen, die es sich aufgrund ihrer angespannten finanziellen Situation gar nicht leisten könne, Vorräte anzulegen. Wenn denn tatsächlich eine Notsituation entsteht, werden sie das Nachsehen haben.
Kann man für Hamsterkäufe noch bedingt Verständis aufbringen, weil diese auch u.a. auch einen psychologischen Effekt haben, so endet das Verständis dort, wo aus der Corona-Krise auch noch persönlicher Profit geschlagen wird, nämlich wenn Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken zu Wucherpreisen verkauft werden. Das ist nicht clever, das ist asozial. Wie bereits oben beschrieben werden es die Schwächsten ausbaden müssen, wenn gerade für sie die Möglichkeiten sich zu schützen nicht mehr bestehen werden.
Das Coronavirus stellt uns alle auf die Probe. Anstatt reflexartig nur an den eigenen Schutz und den der eigenen Familie zu denken, sollte man den Blick auf die Gemeinschaft nicht vergessen. Wenn jeder das tut, dann wird unsere Gesellschaft ein bisschen sicherer – nicht nur vor Corona!